Mountainbiken zieht Menschen verschiedenster Altersgruppen an – von Adrenalinjunkies auf Downhill-Trails bis zu Naturgenießern mit dem E-MTB. Doch hinter der Begeisterung für den Geländesport stehen auch klare Schattenseiten: hohe Belastungen für den Körper, technische Herausforderungen und ein nicht zu unterschätzendes Unfallrisiko. Die Zahlen sind eindeutig – Mountainbiken ist aufregend, aber keinesfalls ungefährlich. Wer sich auf zwei Reifen in unebenes Terrain begibt, bewegt sich an der Schnittstelle zwischen sportlicher Freiheit und medizinischer Statistik.

Unfallstatistiken: Harmloser Sport mit ernstem Potenzial

Mountainbiken ist kein Risikosport im klassischen Sinne, aber es reiht sich in eine Kategorie ein, in der sportbedingte Verletzungen regelmäßig auftreten. Je nach MTB-Disziplin unterscheiden sich die Verletzungsraten deutlich: Während Cross-Country-Fahrten durchschnittlich 2 bis 17 Verletzungen pro 1.000 Stunden verursachen, schnellen die Zahlen im Downhill-Bereich auf bis zu 43 pro 1.000 Stunden.

Diese Werte stammen aus klinischen Auswertungen verschiedener europäischer und nordamerikanischer Sportmedizin-Studien, unter anderem der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) und der britischen Mountainbike-Unfallforschung.

Typische Unfallursachen sind Stürze bei Abfahrten, meist ausgelöst durch unvorhersehbare Hindernisse, schlechtes Bremsverhalten oder den Verlust der Kontrolle bei hoher Geschwindigkeit. Dabei sind es vor allem Arm-, Schulter- und Handgelenkverletzungen, die häufig auftreten. Rund 10 bis 13 Prozent der Mountainbike-Verletzungen erfordern eine stationäre Behandlung im Krankenhaus. Auffällig ist auch: Über 60 Prozent der Unfälle entstehen durch unkontrolliertes Absteigen oder einen direkten Sturz vom Fahrrad. Besonders riskant ist das Überfahren von Wurzeln oder Steinen bei abfallendem Gelände – hier passiert fast jeder zweite Downhill-Unfall “über den Lenker hinweg”.

E-Bikes im Gelände: Technik trifft auf Selbstüberschätzung

Der Boom der elektrisch unterstützten Mountainbikes hat eine neue Nutzergruppe ins Gelände gebracht. Laut einer Analyse des Deutschen Verkehrssicherheitsrats wächst der Anteil der E-Mountainbikes jährlich um mehr als 15 Prozent. Während sie bergauf erstaunliche Leistung ermöglichen, führt die erleichterte Mobilität häufig dazu, dass sich körperlich weniger trainierte Personen in anspruchsvolles Terrain wagen – mit oft ernüchterndem Ausgang.

Bergrettungsdienste in Bayern und Tirol berichten zunehmend von Einsätzen, bei denen E-MTB-Fahrende die Auffahrt problemlos meistern, die Abfahrt aber nicht bewältigen – entweder aus mangelnder Fahrtechnik oder wegen Angstreaktionen in steilem Gelände. Besonders betroffen sind Personen über 55 Jahre.

Eine retrospektive Studie aus den österreichischen Alpen (2006–2021) dokumentierte 97 Todesfälle beim Mountainbiken. Davon waren 54 Prozent auf kardiale Ursachen während der Auffahrt zurückzuführen, 41 Prozent resultierten aus schweren Stürzen bergab. In der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um Männer, die mit E-Bikes unterwegs waren.

Schutzkleidung und Technik: Kein Ersatz für Konzentration

Moderne Mountainbikes verfügen über technisch hochentwickelte Komponenten: hydraulische Scheibenbremsen, Federwege bis zu 200 mm und Spezialreifen mit enormer Traktion. Diese Fortschritte verbessern zwar das Handling auf schwierigen Trails, senken aber nicht automatisch das Verletzungsrisiko – im Gegenteil: Die bessere Kontrolle führt häufig zu höherer Geschwindigkeit, was die Schwere potenzieller Unfälle steigert. Dieses Paradoxon ist in der Sportwissenschaft bekannt und wird als “Technologie-vermitteltes Risikoverhalten” beschrieben.

Der Schutz des Körpers durch Ausrüstung ist essenziell. Laut Daten des Bundes Deutscher Radfahrer reduziert das Tragen eines Helms die Gefahr schwerer Kopfverletzungen um bis zu 85 Prozent. Handschuhe, Rückenprotektoren, Knieschoner und gepolsterte Trikots sorgen zusätzlich für Schutz bei Stürzen. Besonders im Downhill- und Enduro-Bereich sind Protektoren Pflicht. Doch selbst modernste Ausrüstung kann Konzentrationsmängel, Übermüdung oder mangelnde Streckenkenntnis nicht kompensieren – die häufigsten Ursachen für Stürze bleiben fahrerbedingt.

Wartung und Vorbereitung: Technikversagen als Unfallursache

Fehlfunktionen am Bike zählen zu den seltener diskutierten, aber nicht minder gefährlichen Faktoren im Mountainbikesport. Untersuchungen des ADAC ergaben, dass bis zu 25 Prozent der Unfälle mit technischen Problemen zusammenhängen – vor allem mit versagenden Bremsen, gelockerten Lenkerverbindungen oder beschädigten Reifen. Regelmäßige Wartung ist nicht nur ein Gebot der Vernunft, sondern auch eine Frage der Haftung: Wer mit defekter Bremse unterwegs ist, kann im Schadensfall als fahrlässig gelten.

Vor jeder Fahrt sollten deshalb mechanische Hauptkomponenten wie Bremsscheiben, Dämpfer, Reifen und die Schaltung geprüft werden. Bei längeren oder alpinen Touren sind Ersatzschlauch, Werkzeugset und Pumpe Standardausstattung. Professionelle Bike-Checks im Fachhandel tragen dazu bei, Risiken zu minimieren – sie werden von vielen Herstellern sogar einmal jährlich empfohlen, etwa von Canyon, Cube oder Trek.

Alpine Risiken: Wenn die Bergwacht zur Notfallambulanz wird

In den deutschen Alpenregionen rückt die Bergwacht pro Jahr zu mehr als 1.000 Einsätzen im Zusammenhang mit Mountainbikes aus. Ein Großteil dieser Alarmierungen betrifft gestürzte oder blockierte Personen in schwer zugänglichem Gelände. Besonders bei nicht ausgeschilderten Trails kann bereits eine gebrochene Speiche oder ein leerer Akku zur Rettungsaktion führen.

Die Topografie spielt dabei eine zentrale Rolle: Mountainbike Trails mit mehr als 500 Höhenmetern Abstieg und engen Serpentinen erfordern nicht nur fahrtechnisches Können, sondern auch Ausdauer, Konzentration und Mut. Häufig unterschätzt wird zudem die thermische Belastung – im Hochsommer kann es selbst auf über 1.000 Metern zu hitzebedingten Kreislaufproblemen kommen. Rettungskräfte berichten zunehmend von Fällen, in denen Fahrer in Flipflops oder mit unzureichendem Wasserbestand aufbrechen und dann in Not geraten.

Mountainbiken als Gesundheitssport: Belastung mit System

Trotz aller Risiken ist Mountainbiken eine wirkungsvolle Trainingsform – vorausgesetzt, die Belastung wird systematisch dosiert. Eine Studie des Instituts für Kreislaufforschung der Deutschen Sporthochschule Köln zeigt, dass regelmäßiges MTB-Fahren das Herz-Kreislauf-System verbessert, die Beinmuskulatur stärkt und koordinative Fähigkeiten fördert. Besonders auf abwechslungsreichen Trails wird die Tiefenmuskulatur stark beansprucht.

Gleichzeitig wirkt sich die mentale Komponente positiv aus. Die Kombination aus Konzentration, Naturkontakt und körperlicher Herausforderung trägt zur Stressreduktion bei. Wichtig ist jedoch, Überforderung zu vermeiden: Anfänger sind gut beraten, Techniktrainings zu absolvieren und sich schrittweise an anspruchsvollere Strecken zu wagen. Für Menschen mit Vorerkrankungen empfiehlt sich eine vorherige sportmedizinische Untersuchung.

Sicherheitsstrategien: Was den Unterschied macht

Die meisten Unfälle im Mountainbike-Bereich lassen sich auf einfache Faktoren zurückführen – fehlende Voraussicht, mangelnde Ausrüstung oder Selbstüberschätzung. Wer Risiken senken will, sollte in drei Bereichen ansetzen: Ausrüstung, Fahrtechnik und Streckenwahl. Hochwertige Bikes mit funktionierender Technik sind nur der erste Schritt. Ebenso entscheidend sind die Fahrkompetenz und eine realistische Selbsteinschätzung.

Trainingsangebote wie Fahrtechnikkurse oder geführte Touren mit erfahrenen Guides helfen, gefährliche Fehler zu vermeiden. Besonders effektiv sind strukturierte Vorbereitungseinheiten, in denen Bremsverhalten, Kurventechnik und Körperposition geübt werden. Auch das Fahren in Gruppen erhöht die Sicherheit, da im Notfall schnell Hilfe verfügbar ist. Wer zusätzlich auf bekannte und zertifizierte Trails zurückgreift, reduziert das Risiko deutlich – viele Unfälle passieren abseits ausgewiesener Routen.